Kulturpolitik
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2. Oktober 2025
Neues Co-Präsidium von t.: Interview mit Cristina Galbiati und Sibylle Heiniger

Sibylle Heiniger und Cristina Galbiati.
Sibylle und Cristina, ihr seid die neuen Co-Präsidentinnen von t., und ihr seid beide Theaterschaffende. Welche Parallelen gibt es in eurem künstlerischen Schaffen?
Sibylle Heiniger (SH): Ich habe von Trickster-p, der Theatergruppe von Cristina und Ilija Luginbühl, schon drei Projekte gesehen – zwei davon, als ich Cristina noch nicht kannte. Alle drei haben mich sehr beeindruckt. Parallelen sehe ich im konzeptionellen und formalen Zugang. Wir sind wohl beide forschend unterwegs.
Cristina Galbiati (CG): Ich kenne Sibylles künstlerisches Werk noch nicht gut genug, um Parallelen ziehen zu können. Was uns aber klar verbindet, ist unsere Haltung: Kunst ist für uns mehr als Bühnenproduktion – sie bedeutet für uns ein Engagement für die gesamte Theaterlandschaft.
Mit welchem Gefühl seid ihr in eure Zusammenarbeit als Co-Präsidentinnen gestartet?
SH: Ich habe ein sehr gutes Gefühl. Anfang August haben wir uns ausführlich Zeit genommen, um unsere Zusammenarbeit zu besprechen. Für den kompletten Überblick brauche ich zwar noch etwas länger, aber schon jetzt zeigt sich: Wir sind beide schnell im Austausch, in Entscheidungen und in der Planung. Was uns besonders verbindet, ist das Dranbleiben: Wir wollen, dass das professionelle freie Theaterschaffen nicht nur als Bereicherung, sondern als Notwendigkeit in der kulturellen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung angesehen wird.
CG: Die Jahre der Co-Präsidentschaft mit Sandra Künzi waren spannend und bereichernd. Ich lernte unseren Verband und seine Herausforderungen dabei sehr gut kennen. Jetzt freue ich mich, den Weg mit Sibylle weiterzugehen, die sich schon in der Regionalgruppe t. Bern stark eingebracht hat. Ihr frischer Blick auf langjährige nationale Themen wird uns neue Perspektiven eröffnen und echten Mehrwert schaffen. Willkommen, Sibylle, ich freue mich auf die gemeinsame Arbeit!
Sibylle, du warst lange im Vorsitz der Regionalgruppe t. Bern aktiv. Was hat dich dazu motiviert, nun als Co-Präsidentin für den nationalen Verband tätig zu sein?
SH: Kulturpolitisches Engagement war und ist mir sehr wichtig. Ich war bei t. Bern zuständig für die sogenannten Kulturtandems – ein Austauschgefäss zwischen Theaterschaffenden und Politiker*innen, um auf die Arbeitsrealitäten aufmerksam zu machen und den persönlichen Kontakt zu pflegen. Lobbyarbeit eben. Nun fühle ich mich erfahren genug, mehr strategisch als operativ unterwegs zu sein.
Du betreust das Ressort Kulturpolitik. Dort gibt es grosse Herausforderungen, etwa die drohenden Budgetkürzungen und die Halbierungsinitiative. Wie können wir als Verband hier Einfluss nehmen?
SH: Für mich geht es immer darum: hinstehen, sich einsetzen und verbünden für das professionelle Theaterschaffen. Auf nationaler Ebene bedeutet das auch, Allianzen mit anderen Kulturverbänden zu bilden. Etwa im Rahmen von Suisseculture und der Taskforce Culture, bei denen wir mit dabei sind. So besitzen wir ein kulturpolitisches Gewicht, um uns etwa gegen die Halbierungsinitiative stark zu machen. Unsere t. Richtlöhne und Richthonorare sind ein wichtiges Zeichen hin zur echten Anerkennung des Theaterschaffens als Beruf und gleichzeitig ein wertvolles Tool bei den aktuellen Diskussionen über die Budgetkürzungen.
Cristina, du wurdest kurz nach der Fusion Teil des Vorstands und bist seit vier Jahren Co-Präsidentin von t. Wie hat sich der Verband in diesen Jahren entwickelt?
CG: Es waren intensive Jahre, nach aussen wie nach innen. Die Covid-Krise hat uns enorm gefordert und insgesamt die Schwachstellen des Kultursektors offengelegt. Sie schärfte gleichwohl die Rolle der Berufsverbände, und auch wir konnten so die tatsächlichen Bedürfnisse des Sektors klarer erkennen. Intern brauchte die Fusion von ACT und KTV/ATP einiges an Zeit und Energie. Letztendlich machte dies uns aber zu einem stabileren Verband mit klarer Struktur und gefestigten Kompetenzen, der den Blick entschlossen nach vorne richtet.
Welche Themen liegen dir besonders am Herzen?
CG: Mir liegen besonders drei Themen am Herzen: die strukturellen Prozesse, die Anerkennung der Professionalität und die nationale Dimension. Ein Verband braucht eine starke innere Organisation, aber ebenso starke Beziehungen nach aussen.
Als jemand aus einer Minderheitenregion weiss ich um die Herausforderungen eines mehrsprachigen Landes. Dabei genügt es nicht, als nationaler Verband lediglich Texte in die Landessprachen zu übersetzen. Er muss die unterschiedlichen Realitäten wirklich verstehen, um auf die verschiedenen Realitäten eingehen zu können.
Zentrales Anliegen bleibt für mich die Anerkennung der Professionalität, also Theaterschaffende zu sein als Beruf. Dies auch auf politischer und gesellschaftlicher Ebene. Damit wird der Wert der Kultur anerkannt und wir können faire Arbeitsbedingungen, gerechte Löhne und eine ausreichende soziale Absicherung gewährleisten.
Wie seht ihr den Vorstand und den Verband derzeit aufgestellt?
SH: Der Vorstand ist sehr vielfältig besetzt, was ein grosser Gewinn ist. Die Erfahrungen, Prägungen und das Wissen aller sehe ich als gebündelte Kraft. Er ist national, nein, eigentlich international, aufgestellt. Nationales Wirken heisst für mich auch, über die Landesgrenzen hinweg zu denken. Sich immer wieder bewusst zu sein, wie viele Themen grade in der künstlerischen Arbeit globale Themen sind.
CG: In den letzten Jahren haben wir intensiv an der Verbandsstruktur gearbeitet. Eine grosse Stärke sehe ich im direkten Zusammenspiel zwischen Vorstand, der die strategische Arbeit leistet, und dem Team, das die operative Verantwortung trägt. Für zentrale Themen bilden wir Arbeitsgruppen, in denen beide Seiten vertreten sind. So lernen wir uns besser kennen, arbeiten direkter zusammen und schaffen die Grundlage dafür, dass der Vorstand fundierte Entscheidungen treffen kann. Für mich ist dieses Modell eine sehr erfolgreiche Formel.
Welche Themen haben in den kommenden Jahren für den Verband besondere Priorität?
SH: Ich bin überzeugt vom Ansatz «think global, act local». Wir sind international mit schwierigen Themen verschiedenster Natur konfrontiert. Vieles davon können wir im Kleinen nicht beeinflussen, wir können uns aber dazu verhalten. KI beispielsweise sehen einige Theaterschaffende als Bedrohung, manche aber auch als Chance. Deshalb bietet t. auch Workshops zur Nutzung von KI an. Ganz wichtig ist zudem der regelmässige Austausch mit unseren Regionalgruppen, die direkt an der Basis tätig sind.
CG: Ein Berufsverband muss zweigleisig fahren: langfristig an zentralen Themen arbeiten und zugleich flexibel auf unerwartete Herausforderungen reagieren. Für uns stehen die Anerkennung der Professionalität von Theaterschaffenden und eine faire Entlohnung an erster Stelle. Gleichzeitig beschäftigen wir uns ausgiebig mit aktuellen Fragen zu Machtmissbrauch, Diversität und den Auswirkungen von künstlicher Intelligenz auf den Kulturbereich. Entscheidend ist für mich, flexibel und offen zu bleiben – nur so können wir auch das Unvorhersehbare meistern.
Was wünscht ihr euch für den Verband, für die t. Mitglieder, für die Kulturschaffenden allgemein?
SH: Ich wünsche mir, dass Theater als Beruf genauso anerkannt ist wie jede andere Profession. Tatsache ist, dass die meisten Theaterschaffenden ein zweites oder drittes Standbein brauchen, um finanziell über die Runden zu kommen. Ich erachte es zudem als wichtig, vermehrt Strukturen zu schaffen, über die nicht nur Produktionen finanziert werden. Ich denke da zum Beispiel an Aspekte wie Nachhaltigkeit, Zugänglichkeit, internationalen Austausch, Weiterbildungsangebote und Recherchebeiträge.
CG: Wir leben in stürmischen Zeiten. Die internationale Lage ist angespannt, und Kürzungen im Kulturbereich verstärken die Unsicherheit. Gerade jetzt ist es wichtig, über die Rolle der Kultur in der Zivilgesellschaft nachzudenken. Kultur hat einen grossen Wert, und ich wünsche mir für alle Kulturschaffenden, dass dieser Wert voll anerkannt wird. Dafür muss noch viel getan werden. Vielleicht sind aber sind es gerade die Krisen, in denen wir unsere Bedeutung besonders deutlich zeigen und die systemische Relevanz unseres Berufes einfordern müssen.